Lungern OW Totentanz (zerstört)

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Beschreibung

Den Hinweis auf den Totentanz verdanken wir der Chronik von Pfarrer Johann Beat Ming (1719-1743). Sie berichtet, dass 1621 die Kirche und das Beinhaus erweitert und die Altäre beider Sakralbauten geweiht wurden. Im Hinblick auf spätere Restaurationen hält sie nicht nur das Vorhandensein eines gemalten Totentanz fest, sondern überliefert auch die Inschriften, damit nachkommende Generationen „alles desto leichter wiederumb nach der jetzigen alten schönen Form erneuweren können“.

Auf der einen Längsseite des Beinhauses waren die Vertreter des Klerus dargestellt, nämlich Papst, Kardinal, Bischof und Priester, auf  der anderen die weltlichen Stände, bestehend aus Kaiser, König, Ritter und Bauer. Frauen fehlen. Wie üblich in der Gegenreformation wird – vor allem beim Klerus – auf jegliche Ständekritik verzichtet.

Die Totentanzverse zu jedem Stand werden jeweils durch eine einzeilige Bildbeschreibung eingeleitet. Bei den drei höchsten Vertretern der Geistlichkeit, die sich wohl in ihrer Ausrichtung aufs Jenseits gefasster ins Sterben ergeben, hält der Tod nur mahnend eine Sanduhr empor. Die weltliche Obrigkeit, die stärker in diesseitige Aufgaben und Kämpfe verwickelt ist, wird rauer angefasst. Der Tod zieht und zerrt sie oder stösst mit der Lanze zu.

Während der paarweise Auftritt von Tod und Mensch noch in der Tradition des Basler Totentanzes steht, verweisen die Inschriften auf Einflüsse Holbeins. So steht beim Bischof „Die Schäflein wirst du nit mehr weyden“, beim Ritter „und stosst ihm mit der Lanzen durch den Leib“, beim Priester auf dem Versehgang „portans viaticum; der Todt hat ein Schällen“. Dem alten Bauern, der aufs offene Grab zugeht, könnte der Blinde im Basler Totentanz oder der alte Mann bei Holbein als Vorlage gedient haben.

Lage

Gemeinde
Lungern
Kanton
Obwalden

Datierung

nach 1621.

Künstler

unbekannt.

Auftraggeber

unbekannt, vielleicht Wolfgang Blättler, der 1618-1621 Pfarrer in Lungern war.

Beschaffenheit

Wandmalerei, Technik unbekannt.

Masse

unbekannt.

Inschriften

Zu jedem Paar gehört ein Vierzeiler unter einer kurzen Bildbeschreibung, die den Stand des Todgeweihten nennt. Es spricht ausschliesslich der Tod. Obwohl der Inhalt der Texte dem üblichen Grundton der Totentänze entspricht und auch die allgemein bekannten Motive erscheinen, lässt sich keine direkte Vorlage finden. Thematisiert wird die Ergebenheit in das Sterben, die Überbringung der Todesbotschaft, die Notwendigkeit der Todesbetrachtung, die Nutzlosigkeit des Widerstandes, das Loslassen-Müssen.

Eine lange Inschrift an der Rückwand des Beinhauses enthielt die Klage eines Verdammten, der weiss, dass seine furchtbaren seelischen und körperlichen Qualen nie enden werden.

Literatur

Robert Durrer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Unterwalden. Nachdruck der Ausgabe 1928, Basel 1971, S. 369-372.

Regula Odermatt-Bürgi: Totentänze der Innerschweiz, in: Todesreigen – Totentanz. Die Innerschweiz im Bannkreis barocker Todesvorstellungen, Luzern. 1996, S. 35-75, (S. 38-41).

Hans Georg Wehrens, Der Totentanz im alemannischen Sprachraum. „Muos ich doch dran – und weis nit wan“, Regensburg 2012, S. 198.

Bilder

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Bildnachweis

Nidwaldner Kalender 35 / 1894

Erfassung

Regula Odermatt-Bürgi 2018.