Bern BE Totentanz

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Präsentation im Historischen Museum Bern.
Beschreibung

Die Bilderfolge hält sich an die Tradition der Gattung Totentänze. Der eigentliche Todesreigen wird zu Beginn durch zwei Tafeln «Vertreibung aus dem Paradies» / «Moses empfängt die Gesetzestafeln» sowie «Christus am Kreuz» / «Totenkonzert im Beinhaus» und am Schluss durch eine Predigerszene umrahmt. In einer kaum überblickbaren Reihe bewegen sich die Menschen vom Papst bis zur Begine und vom Kaiser bis zu den Ungläubigen dem Jüngsten Gericht zu. Sie werden zu einem prunkvollen und farbenfrohen Totenfest vereint. Die Gestalten erscheinen in luxuriösen Kleidern und weisen auf eine bunte Selbstdarstellung des Lebens hin. Die Opfer werden von teils spöttischen, teils aggressiven Todesgestalten weggezerrt, verspottet, bedroht oder verführt. Die Helle der Lebensfreude steht dem Dunkel des Todes gegenüber.

Lage

Niklaus Manuels Totentanz stand auf dem Areal des Dominikaner Klosters (heute Französische Kirche, Predigergasse 1-3 / Zeughausgasse), gemalt an die Innen-, eventuell Aussenseite der südlichen Klosterummauerung. Die Mauer mitsamt den Gemälden wurde 1660 wegen Strassenerweiterung abgerissen. Die Kopien des Totentanzes von Niklaus Manuel, gemalt von Albrecht Kauw, befinden sich heute im Bernischen Historischen Museum, Bern.

Gemeinde
Bern
Kanton
Bern

Datierung

Niklaus Manuel zwischen 1515/16 und 1519/20. Die Kopien von Albrecht       Kauw 1649.

Künstler

Niklaus Manuel Deutsch *1484 Bern, + 1530 Bern, Maler, Zeichner, Holzschneider, Dichter, Staatsmann und Förderer der Reformation. 
Albrecht Kauw,
*1616 Strassburg, + 1681/82 Bern, prot., aus dem Elsass. In den späten 1630er Jahren kommt er nach Bern, wo er erstmals 1639 mit zwei signierten und datierten Porträts von Gabriel von Diesbach und Anna von Wattenwyl bezeugt ist.

Auftraggeber

Die damaligen Berner Schultheissenfamilien dürften die wichtigsten Auftraggeber des Bilderzyklus gewesen sein; unterstützt wurden sie sicherlich von all den Berner Familien, deren Wappen die einzelnen Szenen schmücken. Ohne die Einwilligung der Dominikaner wäre aber die Anbringung auf dem Klosterareal undenkbar. 

Bei Kauw liegt der Auftrag wahrscheinlich im eigenen Interesse. 1649 kopiert Kauw den "Totentanz" von Niklaus Manuel und überreicht diesen dem Berner Rat als Geschenk. Als Gegenleistung erhält Kauw immer wieder öffentliche Aufträge. Doch könnte es möglich sein, dass der Auftrag vom Rat der Stadt Bern erteilt wurde, da sie sich der Bedeutung des zu zerstörenden Werkes von Manuel bewusst waren. Diese Fakten sind aber nicht gesichert.

Restaurierungen

keine bekannt.

Beschaffenheit

Manuel stellt ursprünglich 21 Bilder in der Fresko-Technik her, Ausnahme bilden die zwei ersten und das letzte Bild, die vermutlich auf Holztafeln gemalt wurden. Kauw malt 24 Blätter in der Aquarell- und Gouache-Technik, teils vergoldet.

Masse

Auf einer Länge von rund 80 Metern sind 41 Szenen mit fast lebensgrossen Tanzpaaren unter einer Doppelarkade dargestellt. Eine Ausnahme ist der allein auftretende Kreuzritter unter einer Arkade, vermutlich aus moralischen Überlegungen. Geschätzte Doppelbogenmasse: Höhe ca. 230 cm, Breite ca. 310 cm.

Masse der Blätter von Albrecht Kauw: Höhe 36,5 cm, Breite 49,2 cm.

Inschriften

Die 92 vierzeiligen Strophen Manuels mahnen den Menschen an die Hinfälligkeit des menschlichen Daseins. Sie weisen spürbare Einflüsse vom Basler Totentanz (um 1440) sowie von den Pariser «Danse macabre» auf. In den Strophen hebt Manuel insbesondere die Stände-Satire und die Kritik des geistigen Standes hervor. Die Textstrophen enthalten verschiedene kirchenkritische Verse, insbesondere bei den Vertretern der geistlichen Stände. Dieser Kirchenkritik wird es wohl zu verdanken sein, dass der Totentanz auch nach der Reformation erhalten geblieben ist.

Die Texte schrieb Hans Kiener 1576 ab, gedruckt und überliefert wurden sie 1581 von Huldrich Frölich in Basel.

Bemerkungen

Die Blätter von Albrecht Kauw befinden sich heute im Bernischen Historischen Museum, Bern.

Literatur

Michael Egli und Hans Christoph von Tavel, Niklaus Manuel, Cataloque raisonnée, mit Beiträgen von Petra Barton Sigrist, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft und Burgerbibliothek Bern, 2 Bde., Basel 2017.

Georges Herzog: Albrecht Kauw (1616–1681). Der Berner Maler aus Strassburg. Bern 1999.

Gert Kaiser, Der tanzende Tod, Mittelalterliche Totentänze, Frankfurt a. M.1996. S.330-351.

Kritischer Werkkatalog, hrsg. von Hans-Christoph von Tavel und Michael Egli, SIK, Zürich 2017.

Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.), Kunstführer durch die Schweiz, Bern 1982, Bd.3, S. 110.

Susan Marti (Hrsg.): Söldner, Bilderstürmer, Totentänzer. Mit Niklaus Manuel durch die Zeit der Reformation, Zürich 2016.

Luc Mojon, Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern 5, Die Kirchen der Stadt Bern, Basel 1969, S. 70-83.

Reiner Sörries, Tanz der Toten – Todestanz.  Der monumentale Totentanz im deutschsprachigen Raum, Dettelbach 1998, S. 142-146.

Johannes Tripps, Den Würmern wirst du Wildbret sein, Schriften des Bernischen Historischen Museums, Bd. 6, Bern 2005, S. 11.

Hans Georg Wehrens, Der Totentanz im alemannischen Sprachraum, Regensburg 2012, S. 96 -118.

Paul Zinsli, Mauels Totentanz, Berner Heimatbücher 54/55, Bern 1979.

Bilder

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Das Predigerkloster Ausschnitt aus der Planvedute von Gregorius Sickinger (1603-1607), Fotokopie einer Reproduktion.
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Modell um 180° gegenüber dem Stich von 1607 gedreht. Das abgebildete Modell der Kloster-anlage kann in der Französischen Kirche besichtigt werden.
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Computeranimation von Daniel Kilchhofer (Reproduktion 2003)
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Der Tod spricht zum Kaiser -Der Tod spricht zum König.
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Der Tod spricht zum Ritter. Der Ritter gibt Antwort.
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Patriarch -Bischof
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Ritter und Tod
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Fürsprech - Arzt
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Witfrau - Tochter
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Juden - Maler
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Das jüngste Gericht
Bildnachweis

Walter Matti 2017.

Erfassung

Walter Matti 2017