Aarau AG Totentanz am Obertorturm

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Beschreibung

In luftiger Höhe blicken uns sieben Tanzpaare an, sieben Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts und sieben Gerippe mit Totenschädeln in jeweils anderer Haltung. Die Personen könnten Menschen aus unserer Gegenwart sein, denen wir täglich auf den Strassen begegnen. Betrachten wir nun die Paare des Frieses von links nach rechts:
Tod mit junger Frau. Der stark stilisierte Tod, die Beine leicht geknickt, wendet sich der jungen Frau zu und hält mit seiner linken Hand ihre Rechte, um sie zum Tanzen aufzufordern. Diese leicht bekleidete Frau trägt Stöckelschuhe. Sie blickt den Tod an, so als fürchte sie sich vor ihm.
Tod mit Geschäftsmann. Der Geschäftsmann trägt einen tadellosen Anzug mit Krawatte, er steht steif und unbeweglich neben dem Tod, der schon einen Schritt nach vorne macht. Mit der rechten Hand zeigt er dem Geschäftsmann die zu gehende Richtung an, dieser neigt den Kopf in dieselbe Richtung und ergibt sich nun in sein Schicksal.
Tod mit Bauarbeiter. Der Bauarbeiter, in langer Arbeitskleidung und mit beiden Händen eine Messlatte haltend, steht aufrecht neben dem Tod. Er wird vom Tod mit dem linken Arm unsanft am rechten Arm ergriffen.
Kleines Mädchen mit Tod. Das kleine Mädchen mit langen Haaren, gekreuzten Beinen und dem Spielball in beiden Händen haltend, steht wie eine Ballerina keck vor dem Tode. Er steht direkt hinter dem kleinen Mädchen und berührt es mit beiden Händen an der Schulter, so als wolle er es beschützen.
Bei den nächsten Paaren steht der Tod nun vom Betrachter her gesehen rechts neben den Personen.
Mutter und Kind mit Tod. Die Mutter trägt ein kurzärmeliges Kleid und hat die Haare mit einem Kopftuch umwickelt. Sie trägt auf dem linken Arm das sie festhaltende kleine Kind. Der Tod steht daneben und ergreift mit beiden Händen die Mutter.
Sportler mit Tod. Der starr gerade ausblickende Sportler (verzerrtes Selbstbildnis des Künstlers) in Turnkleidern hält in der rechten Hand einen Diskus und in der linken einen Speer. Mit seiner vom Tod abgewendeten Haltung zeigt er, dass er nicht bereit ist, dem Tod zu folgen. Der mit einer Turnhose bekleidete aber hat Geduld, ausgedrückt durch seine lässige Haltung, er kann warten.
Den Reigen schliesst die Marktfrau mit Tod. Bekleidet ist sie mit einem langen Rock und einer offenen Jacke. Die rechte Hand lässt sie fallen, mit der Linken hält sie den Warenkorb, den sie auf ihrem Kopf trägt. Auch hier hat man das Gefühl, dass der Tod nicht fordert, sondern gütig ist, seine linke Hand liegt sanft auf der Hüfte der Marktfrau.

Der gesamte Hintergrund ist mit einem rostroten Farbton gemalt. Der Totentanz befindet sich im alltäglichen Strassenverkehr. Felix Hoffmann hat bewusst diesen Ort gewählt. Nicht in einer Kirche, sondern mitten im Verkehr steht sein Totentanz, um die Vergänglichkeit unseres Daseins allen sichtbar zu machen.

Lage

In Aarau, am Rande der Altstadt, steht der Obertorturm aus dem 13. Jahrhundert, aufgestockt im 16. Jahrhundert, Höhe 62 Meter. Die Darstellung des Totentanzes befindet sich an der Südseite des Turms zwischen der Turmuhr von 1532 und der grossen Sonnenuhr, die auch als Symbol der Vergänglichkeit gilt.

Gemeinde
Aarau
Kanton
Aargau

Datierung

1966

Künstler

Felix Hoffmann, 1911 – 1975, Glasmaler und Illustrator

Auftraggeber

Stadt Aarau

Restaurierungen

1966 umfangreiche Restaurierung des Turmes und zugleich Entstehung des Totentanzes. Seither erfolgten 2004 und 2007 weitere Restaurierungen am Turm. 2007 wurde insbesondere der Totentanz durch Stephan und Ina Link aufgefrischt.

Beschaffenheit

Monochrome Wandmalerei, die Farben Grau, Schwarz und Rot dominieren. Felix Hoffmann verwendete hier Keim’sche Mineralfarben.

Masse

240 x 600 Zentimeter (Höhe, Breite)

Inschriften

Es befinden sich teils versteckte Texte mit persönlicher Aussage sowie solche in lateinischer Sprache am Gemälde: «Omnia Vana» (alles ist nichtig, vergeblich), oberhalb des Todes beim Bauarbeiter, «heute 18. Juni Matthias geboren» (Enkelkind), oberhalb der Mutter mit Kind, «Dona nobis artem moriendi Domine» (Gib uns die Kunst zu sterben, Herr), oberhalb des Sportlers, «Felix Hoffmann, aetatis suae 55 1966» (Felix Hoffmann im Alter von 55 Jahren 1966), unterhalb des Sportlers.

Bemerkungen

Felix Hoffmann schuf viele Glas- und Wandmalereien im öffentlichen Raum. Bekannt ist er auch als Kinderbuchillustrator mit internationaler Anerkennung und vor allem wegen seiner Kirchenfenster. Ihm zu Ehren wurde der Felix-Hoffmann-Weg errichtet, der zu sechs von elf reformierten Kirchen im Kanton Aargau führt, in denen seine Glasfenster zu bewundern sind, vgl. www.ref-kirchen-ag.ch/wege/felix-hoffmann-weg.  Zu sehen sind seine Kirchenfenster auch im Berner Münster - (Jesaja-Fenster) - und in der reformierten Kirche Bern Bümpliz - (Chorfenster, nach Plänen von Felix Hoffmann durch Glasmaler Konrad Vetter geschaffen, vollendet 1980). -  
Im Kunstmuseum Aarau ist der Totentanz von Robert Schürch, 1924/1925, sehenswert, Tusche laviert auf Papier, 27 x 21,5 Zentimeter.

Literatur

-  Susanne Dul, «Auf seinen Aarauer Spuren. Felix Hoffmann - Der Aarauer Künstler und die Werke in der Kantonshauptstadt», erschienen in der Aargauer Zeitung vom 6.10. 2000, S. 1.

-  Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.), Kunstführer durch die Schweiz,  Bd. 1, Bern 1975, S. 24,

- Kunst + Architektur in der Schweiz, Jg. 58, 2007, Heft 2, S. 50 – 53.

- Anna Leibbrandt, «Küttigen erzählt», Küttigen 2022, S. 30 – 39.

- Michael Stettler: Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau – Bd. 1, Die Bezirke Aarau, Kulm, Zofingen. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.) - Basel 1948.

- Irma Noseda, Christoph Schläppi - Aarau Stadt Architektur – Stadtentwicklung in zehn Schritten 1240–2001, Aarau 2001.

- Reiner Sörries, Tanz der Toten – Todestanz. Der monumentale Totentanz im   deutschsprachigen Raum, Dettelbach 1998, S. 320

- Die Webseite www.felix.hoffmann.ch   enthält eine Übersicht von Felix Hoffmanns Werken und weitere Informationen zum Künstler.

Bilder

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Obertorturm, Südseite
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Turmuhr 1532, Totentanz 1966, Sonnenuhr 13./20. Jh.
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Sieben Tanzpaare
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Tod/junge Frau Tod/Geschäftsmann Tod/Bauarbeiter Tod/Kind
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Mutter/Tod Sportler/Tod Marktfrau/Tod
Bildnachweis

Walter Matti 2025

Erfassung

Walter Matti 2025